Vom Dachboden in die Couture: 150 Jahre altes Blaudruck-Muster wird wieder eingesetzt

In der Handdruckwerkstätte Wagner in Bad Leonfelden wurde ein mindestens 150 Jahre alter Druckmodel neu entdeckt und restauriert. Da er nicht nur ein außergewöhnliches Muster aufweist, sondern auch das Material, aus dem er hergestellt wurde, außergewöhnlich ist, wurde er untersucht. Das Ergebnis: auch früher ließen sich Handwerker von anderen Gewerken und Kulturen inspirieren. Nun wird der Druckmodel wieder eingesetzt.

Seit 1878 ist die Handdruckwerkstätte Wagner in Bad Leonfelden aktiv. In 150 Jahren der Tätigkeit als Blaudruckerei sammelt sich natürlich einiges im Archiv – so vor allem viele Druckmodeln, also die Stempel, die für den Handdruck verwendet werden. Diese Druckmodel werden regelmäßig kontrolliert, um sie zu konservieren, aber auch um in Vergessenheit geratene Muster wieder zu entdecken. So fand Karl Wagner, dessen Frau Maria seit 25 Jahren die Handdruckerei führt, auf dem Dachboden der Werkstatt einen ganz besonderen Model: das feine Muster scheint asiatisch-orientalisch zu sein und ist sehr ungewöhnlich für den Blaudruck. „Aber auch das Material des Druckmodels hat mich überrascht: sonst werden die Formen aus Messing und Holz gemacht, aber hier wurde Blei verwendet,“ wundert sich Karl Wagner. Bleistempel sind eher im Papierdruck gebräuchlich gewesen, aber mit ihnen können auch feinere Muster gedruckt werden.

V.l.n.r.: Blaudruckerin Maria Wagner, Dr. Thekla Weissengruber, Designerin und Schneidermeisterin Marie Wagner

Kurzerhand nahmen sie Kontakt mit Mag. Dr. Thekla Weissengruber, Sammlungsleiterin der Abteilung Volkskunde und Alltagskultur der OÖ Landeskultur GmbH, auf, um den Ursprung dieses Druckmodels zu ergründen: „Sehr wahrscheinlich wurde der Model ursprünglich für den Druck von Kashmir-Shawls eingesetzt bevor er für den Blaudruck weiter verwendet wurde.“ Kashmir-Shawls waren in der Zeit ab 1800 sehr beliebt und wurden erst importiert, später auch hier in Österreich – in Wien und auch in Linz! – gewebt. Die großen, luxuriösen Wolltücher waren nicht nur wunderschön, sondern auch sehr teuer. „In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden auch günstigere Varianten angeboten, und diese wurden eben bedruckt,“ weiß die Expertin. Aus dieser Zeit dürfte auch der Druckmodel stammen, ist somit mindestens 150 Jahre alt. Schließlich landete er in Bad Leonfelden, und wurde für den Blaudruck verwendet. Das beweist, dass auch früher schon die Handdruckwerkstätte Wagner neue Ideen und Inspirationen gesucht hat, um den Kunden eine große Vielfalt zu bieten.

Der Wickelrock Indigo Heritage war das erste Stück aus Marie Wagners Atelier, das dieses außergewöhnliche Muster aufweist

Marie Wagner, Designerin und Schneidermeisterin aus Leonding, arbeitet schon länger mit den traditionell gefertigten Blaudruck Stoffen aus der Werkstatt Wagner und stellt moderne Stücke aus Blaudruck her. „Ich hab mich sofort in das Muster verliebt und bin überglücklich, dass ich es exklusiv für meine Indigo Kollektion verwenden darf!“ ist sie begeistert. „Ich habe es „Heritage“ getauft, weil es so geschichtsträchtig ist und mich damit an den Status des Weltkulturerbes erinnert, das der Original Mühviertler Blaudruck verliehen bekommen hat.“ Der beliebte Wickelrock war das erste Modell mit dem fein ziselierten Muster. „Aber es sind schon weitere Stücke mit dem neuen, alten Druck entstanden – und jede Menge Ideen in meinem Kopf!“ verrät die Designerin.

Die Blaudruckerin Maria Wagner wiederum freut sich, dass ihr Handwerk weiterhin so begeistert aufgenommen wird und moderne Stücke daraus entstehen. Tradition ist schließlich die Weitergabe des Feuers, nicht die Anbetung der Asche.